Castelnovo ne’Monti – Sprachgymnasium

Die Biografien von Anselmo und Renato Guidi und von Pierino Ruffini sind aus dem Buch “Kahla – Gestern, heute, morgen“entnommen.

Beide Texte wurden im Schuljahr 2018-2019 von der KLASSE 5Q des neusprachlichen Gymnasiums „Cattaneo-Dall’Aglio“ vonCastelnovo Monti ins Deutsche übersetzt.

Die Schülerinnen INDIA MEROLLA und MIRIEL MAGNANI aus der KLASSE 4QR des neusprachlichen Gymnasiums „Cattaneo-Dall’Aglio“ (Schuljahr 2020-2021) haben die Biografien vorgelesen.

Anselmo e Renato Guidi

Anselmo Guidi, Sohn von Lorenzo Guidi und Marcellina Moratti, wurde am 27.10.1898 in Castelnovo ne’ Monti geboren. Am 23.08.1928 heiratete er Giovani Benilde in Castelnovo ne’ Monti. Von Beruf war er Halbpächter für die Familie Capanni aus Castelnovo und wohnte in Maestà. Die Familie wurde mit der Ankunft ihrer Kinder Maria, Renato, Lorenzo und Luisa schnell größer.

Anselmo hatte antifaschistische Ideen. Am 8. 10. 1944 ging er mit seinem Sohn Renato zum Haupthaus des Faschismus, um einen Passierschein zu bekommen und sich somit frei im Gebiet der Gemeinde bewegen zu können. Sie wurden für einen Tag festgehalten, dann nach Felina gebracht und am nächsten Tag mit dem Bus bis zum Durchgangslager nach Fossoli gefahren.

Luisa, Anselmos Tochter, erinnert sich an etwa achtzig Männer, die in der Via Roma vorbeizogen, als sie ihren Vater und Bruder vom Fenster aus grüßte. Das ist ihre letzte Erinnerung an beide.

Das Leben der Familie wurde zusehends schwerer – ihr Haus wurde von den Deutschen eingezogen und die Kinder mussten sich eine andere Bleibe suchen, während Lorenzo und Benilde da blieben, um sich um die Tiere zu kümmern.

Als Guido Ruffini, Zwillingsbruder von Pierino Ruffini, für den wir heute einen Meilenstein zur Erinnerung gesetzt haben, von Kahla zurückkam, bestätigte er den Verwandten, dass sowohl Anselmo als auch Renato dort gestorben waren und brachte ihnen Anselmos Brieftasche.

In einem Dokument der sowjetischen Truppen, die diese Zone Deutschlands befreit hatten, erscheint der Name Guidi Anselmo. In dieser Liste der Toten heißt es, dass er an Herzstillstand gestorben sei.

Wenige Tage nach dem Tod seines Sohnes Renato, der am 6. 3. 1945 wahrscheinlich an Hunger verstarb, starb Anselmo vom Schmerz zerstört, wie man in den Dokumenten des internationalen Roten Kreuzes lesen kann.

Beide sind in den Massengräbern am Friedhof von Kahla begraben.

Nach dem Krieg waren die Bedingungen der Familie äußerst kritisch: sie mussten die Arbeit als Halbpächter aufgeben und dank Benildes Arbeit als Waschfrau konnten sie überleben, bis sie eine Unterkunft von der Gemeinde und eine Beschäftigung im örtlichen Krankenhaus erhielten.

Dank eines Treffens mit seiner Enkelin Paola haben wir die Etappen des Deportierten rekonstruiert, der zum Symbol der Ungerechtigkeit wurde, welche die Zivilbevölkerung während der Kriegszeit erlitten hat.

Das Gedenken an die persönlichen und familiären Ereignisse von Anselmo und Renato hat uns gezwungen, eine tragische Zeit unseres Gebietes nachzuvollziehen und die Geschichte nicht mehr als alltagsfern zu betrachten.

Geschichte wird nicht nur von großen Schlachten und berühmten Politikern, sondern auch vom Volk geschrieben, das mit einfachen Protestaktionen den Gang der Ereignisse verändern kann.

“Kann ein Siebzehnjähriger hier leben? Weit weg von zu Hause? Die zermürbende Arbeit, das wenige Essen, Stunden im Dunkeln, wegen dieses verdammten Krieges über Eisen gebeugt. Wir kämpfen aus dieser Finsternis. Wir sind verpflichtet, Idealen zu dienen, die nicht die unseren sind.

Die Angst, die Kälte, die Wunden; mein Körper sucht nach Licht, meine Glieder hängen kraftlos runter und bewegen sich nur in der Hoffnung, meine Heimat, meine Berge, meine Freunde wiederzusehen, meine Mutter zu umarmen.

Sie sagen nichts zu uns, sie schreien uns nur Beleidigungen in einer fremden Sprache zu, ich verstehe nicht, warum sie mich schlagen, warum sie mich zum Sklaven gemacht haben. Ich bin verpflichtet, wie ein Hund auf dem Boden zu essen; woran bin ich schuld? Vielleicht daran, noch an Gott und nicht an den Führer zu glauben.

Meine müden Augen suchen um sich, auf der Suche nach etwas Farbigem, etwas anderem als Schwärze und Rauch; meine Ohren hören das Weinen der Leidgenossen, das Donnern der Waffen; meine Nase verspürt den sauren Geruch von Eisen und Feuer; ich stoße einen Schrei zum Himmel aus, ein letztes Zucken, und ich beneide alle Körper, die zu meinen Füßen liegen; am Ende des Tages fliehe ich dorthin, wo sie mich nicht schlagen können, dorthin, wo sanfte Hügel im goldenen Licht vom Winde gestreift werden. Und eine leichter Gnadenhauch macht sich über der Qual breit.

Ein Körper fällt, frei im ewigen Lächeln von Ausgewogenheit, in die Ewigkeit eines Pochens; ein Mensch lebt, tot begraben unter dem Nichts, gequält von einer schreienden Seele, die sich aufbäumt und doch schweigt.”

Pierino Ruffini

Ein Mann wie viele, einer wie wir. Ein Mann, der seit seiner Geburt 1901 zusammen mit seinem Zwillingbruder Guido keine wohlhabende Existenz geführt hatte, sondern ein für damalige Verhältnisse ganz normales Leben, das er gerne weitergelebt hätte.

Er hat den Ersten Weltkrieg, dann den Faschismus und zuletzt den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Eines Tages wurde er getäuscht und in das Haupthaus des Faschismus, das heutige Stadttheater, gerufen: Alle Männer mussten einen Passierschein abholen, um sich von Castelnovo entfernen zu können, das jetzt von den Deutschen besetzt war. Am 9. Oktober 1944, einem regnerischen, nebligen Tag, versammelten sich viele Männer in dem Stadttheater. Am Abend wurden die Türen abgeschlossen und die Männer, die eingesperrt waren, kannten ihr Schicksal noch nicht. Gegen Abend wurden sie nach Felina gebracht und dann nach Fossoli. Von Fossoli nach Deutschland, nach Kahla.

Während der Fahrt wussten sie nicht, was sie erwartet. Pierino dachte an seine Frau Maria. In seinem letzten Brief legte er ihr nahe, mutig zu sein und für ihn zu beten, und versprach ihr, dass er bald zurückkommen würde. In Kahla arbeitete er in einer unterirdischen Flugzeugfabrik, wo er zusammen mit vielen Mitbürgern ausgebeutet wurde. Am 27. Februar 1945 starb er an Erschöpfung und Überanstrengung. Seine Gebeine liegen im Massengrab auf dem Friedhof in Kahla, wo Tausende von Opfern des Nationalsozialismus begraben sind.

Dank dieser Geschichte haben wir verstanden, wie grausam der Mensch seinen Mitmenschen gegenüber sein kann. Der Krieg ändert sich nie, er bricht in die Leben von unschuldigen Menschen ein und erschüttert sie.

Dieser Stolperstein erinnert uns daran, dass Pierino hier frei lebte, bevor ihm der Faschismus und der Nationalsozialismus seine Familie, sein Haus und sein Leben wegnahmen. Aber die Geschichte lehrt nur diejenigen, die ihr zuhören wollen.

 

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