Schriftlicher Beitrag der Direktorin der Arolsen Archives Floriane Azoulay zur Gedenkfeier anlässlich des 76. Jahrestages der Befreiung der
Zwangsarbeiter*innen der “REIMAHG” in Kahla

Die Befreiung der Lager der REIMAHG am 13. April 1945 durch US-amerikanische Truppen bedeutete für die 12.000 Männer und Frauen aus dreizehn Nationen, die die Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit nach Thüringen verschleppt hatten, das Ende ihres Leidensweges. Vor ihnen lag die Rückkehr in ihre Heimat oder ein Neuanfang andernorts. Mit sich trugen sie die Traumata des Erlittenen aber auch die Trauer um die Opfer.
In Kahla verschwand wenig später das, was von dem gigantischen wie wahnwitzigen Rüstungskomplex um den Walpersberg für Hitlers Krieg errichtet worden war. Nachdem die Alliierten alles Verwertbare hatten demontieren, abtransportieren oder sprengen lassen, eroberte sich die Natur die Landschaft zurück.
Von den oberirdischen Produktionsanlagen und den in den Berg getriebenen Stollen, an deren Errichtung auch über 100 Firmen beteiligt waren, und den zehn Haupt- und 18 Nebenlagern für Zwangsarbeiter*innen finden sich heute nur noch Überreste. Ohne das Engagement und die unermüdliche Recherchearbeit der Vereine vor Ort, die das Gedenken an die Toten und die Erinnerung an die Verbrechen, die sich in der Mitte der Gesellschaft abspielten, lebendig halten, wäre das Wissen um die Geschichte der Zwangsarbeit bei der REIMAHG vergessen. Die Gedenkarbeit in Kahla hat nicht nur einen hohen Stellenwert für die ehemaligen Zwangsarbeiter*innen, deren Angehörige sowie die damaligen Befreier, sondern ist auch ein wichtiges Zeichen für die heutige Zivilgesellschaft. Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und den Folgen einer menschenverachtenden Ideologie können nur dann für heutige Formen von Diskriminierung, Verfolgung und Hass wachsam machen, wenn deren Entstehung und Dimension verstanden werden.
Die Bestände der Arolsen Archives sind für diese Arbeit eine wichtige Quelle und umso mehr freut es mich, dass es in enger Zusammenarbeit gelingt, nach und nach jedes einzelne Schicksal aufzuklären.